Was ist jetzt am geschicktesten? Weiter nach Norden? Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes: regnerisch und kalt, und eigentlich genau das Wetter, das man für Schottland erwarten würde – trotzdem, ich bin verwöhnt, und nachdem ich sowieso noch die Highland Games in Helensburgh auf dem Plan habe, steht die Entscheidung fest – es geht heute nach Blairmore, bei Dunoon, am Loch Long und am Holy Loch (!). Damit geht mir eine wahrscheinlich tolle Strecke zwischen Durness und Ullapool durch die Lappen – kann ja auch ein Grund sein, nochmal her zu kommen.

Gegen 10:30 Uhr, also relativ spät für mich, bin ich unterwegs, und genieße die Strecke über den Pass nochmal in anderer Richtung. Vor mir fährt irgendwann ein Wohnmobil, und der Fahrer übersieht einen der Passing-Places, und von unten kommen ihm zwei Wohnwagen-Gespanne entgegen. Volltreffer. Der Mann bleibt stehen, haut den Rückwärtsgang rein, und ich kann mich noch irgendwie auf eine felsige Stelle am Straßenrand retten und meine knapp 300 kg unter mir bändigen – als das Wohnmobil an mir vorbei ist, geben mir die Fahrer gegenüber ein Zeichen, und ich bin weg.

Eine Stunde nach der Abfahrt habe ich schon wieder Hunger und halte in einem kleinen Nest, das mir schon bei der Hinfahrt gut gefallen hat – Lochcarron – und setze mich mich ins Waterside Cafe. Zwei englische Biker haben mit mir zusammen am Cafe angehalten. Wir setzen uns zusammen, und ich komme schnell mit Kate und Doug ins Gespräch. Sie sind aus der Nähe von Manchester, fahren heute noch weiter nach Ullapool und zeigen mir auf ihrer Wetter-App, dass das Wetter doch ganz fantastisch werden solle. Kurzes innerliches Fluchen, abgehakt.

Doug gibt mir den Tipp: wenn Du irgendwie noch Zeit hast, fahr in den Lake District, und dort unbedingt den Hardknott-Pass – viel schwieriger als Applecross, und sehr eng. Mal sehn, mein Plan reicht momentan nur bis zu den Highland Games. Und auch Edinburgh ist noch eine Option.

Ein älterer Mann spricht mich an. Sein Bruder hätte ihm, als er Kind war, das Mopedfahren durch seine Fahrweise (er war Beifahrer) ziemlich ausgetrieben – seitdem sei er nie mehr aufs Motorrad gestiegen. Auch solle es ein Gesetz geben, dass man ab 65 Jahren nicht mehr fahren dürfe, oder eine zusätzliche Prüfung brauche, und er fragt mich, was ich davon halte…
Seinen Namen kenne ich nicht – für mich wieder ein neuer Vorsatz: immer fragen, wer bist Du, wo kommst Du her?


Die Rückfahrt wird nach Glencoe ziemlich entspannt. Der Blickwinkel hat sich geändert, der Verkehr ist jetzt nicht mehr so stark, und Fotos habe ich auch schon genügend gemacht.
Am Abend kann ich meinen Vorsatz gleich in die Tat umsetzen. Nachdem mein Zelt steht, auf einem nicht ganz so schönen Flecken wie beim ersten Mal, und auf ziemlich hartem Boden, lerne ich John kennen. Er fragt mich nach einem Adapter zum Laden seines Handys, und nachdem ich ihm einen meiner zwei ausgeliehen habe, frage ich ihn, wo er her käme.

John ist aus Moldawien. Hey, kenne ich, vom Eurovision Song Contest. Klasse, meint John, das sage ihm hier jeder. Er rät mir von Moldawien als Urlaubsziel ab – es sein ein sehr armes und unattraktives Land, schlechte Straßen, landwirtschaftlich geprägt. Lieber solle ich nach Rumänien fahren; dort sei es sehr schön, es gäbe viele alte Kirchen, schöne Berge, schöne Strecken (eine alternative Einschätzung zu Moldawien als Urlaubsziel findet ihr hier).
Später lerne ich noch Peter und Balint kennen. Beide glauben, dass es eine gute Art zu reisen sei, ganz alleine – man käme irgendwann zu sich und könne seine Gedanken sammeln. Balint – er ist Ungar, lebt aber in Schottland – erzählt mir einiges über die Rolle der Polen in England – fleißige Arbeiter, aber nicht (mehr) sehr beliebt… (mehr dazu hier und hier)

Ein guter Tag endet damit, dass ich mir trotzdem noch einige Gedanken über das Alleinreisen mache und mich heute, trotz der netten Begegnungen, etwas einsam fühle.