31. Mai – Glencoe – Portree

Unweigerlich stößt man bei der Planung einer Reise auf Orte, von denen meint, sie unbedingt besuchen zu müssen. In Schottland wären das wohl, neben den Destillerien (die mich nicht mehr interessieren, weil sie sich alle irgendwie gleichen), Castles, Steinkreise und Monumente – und hierzu zählt das Glenfinnan Monument, das an Bonnie Prince Charlie und den Beginn des zweiten Jakobiteraufstandes erinnern soll.

Morgens in Glencoe

Morgens in Glencoe

Ich mache mich also auf und sehe mich schon auf der Spitze des Turms stehen und den Ausblick auf den Loch genießen. Die Anfahrt ist ziemlich unspektakulär, abgesehen von einer Drehbrücke, vor der ich in Fort William warte und zusehen kann, wie ein kleines Segelboot einen langen Verkehrsstau auslöst. Für Mopedfahrer gelten hier die gleichen ungeschriebenen Regeln wie bei uns: langsam überholen und ganz vorne einreihen.

Zur falschen Zeit am rechten Ort – bad luck

Das Monument ist eingerüstet, es wird renoviert. Bad luck! Ok, wo kann ich parken? Rechts der Straße liegt das unvermeidliche Touristenzentrum mit Café, Shop und Ausstellung, und einem Pay & Display-Parkplatz.

Pay & Display-Parkplätze…

…sind nichts Besonderes: Parken nur mit Parkschein. Gibt’s bei uns auch.
Ich versuche, sie zu vermeiden, falls möglich. Motorräder und Parkschein sind so eine Sache, man kann seinen Schein ja nicht hinter der Scheibe einsperren und die Menschheit ist manchmal so böse… Wenn ich tatsächlich mal auf einem parke, schreibe ich auf den Schein das Kennzeichen, und manchmal noch „Motorrad“ oder „Motorcycle“. Schützt nicht hundertprozentig, aber die ganz Paranoiden können das ganze Setup ja noch mit dem Handy fotografieren.

Ein paar Meter weiter ist ein kleiner Wanderparkplatz. Hier kann ich kurz absteigen und mir die Füße vertreten, dann drehe ich um, fahre ein paar Meter zurück und bleibe am Straßenrand stehen, um ein paar Fotos zu machen. Nicht nur vom Monument, sondern auch vom Viadukt, das kaum erkennbar durch die Bäume schaut. Die Stellen, an denen andere diese tollen Aufnahmen gemacht haben (ich sage nur: Hogwarts Express), kann ich nicht finden, ich habe einfach keine Zufahrt gefunden.

Über Fort William geht’s zurück und Richtung Eilean Dunan Castle, auch ein Pflichtbesuch. Die Anfahrt über die A87 ist soweit ganz in Ordnung –  es ist Dienstag, und der normale Verkehr gibt ausreichend Gelegenheit, das Überholen zu üben. Landschaftlich ist die Strecke sehr schön gelegen.

Rindviecher-Idylle in Schottland

Rindviecher-Idylle in Schottland

Auf einmal sehe ich neben der Straße, in einer unglaublich weiten und beeindruckenden Kulisse ein Denkmal – ein Weltkriegsdenkmal, das Commando Monument. In diesen Bergen haben die Eliteeinheiten ab 1942 trainiert.

United we conquer

„United we conquer“

... in einer unglaublichen Kulisse

… in einer unglaublichen Kulisse

Am Loch Cluanie liegt das Cluanie Inn. Es ist fast Mittag, und ich brauche dringend einen Kaffee. Also fahre ich links ran, stelle das Moped in Sichtweite und setze mich in die Sonne. Es sind auch ein paar andere Mopedfahrer da, aber immer in Gruppen, und sie machen den Eindruck, sie würden gerne alleine bleiben. Ist mir aber auch nicht unrecht – obwohl, gegen ein kurzes entspanntes Gespräch hätte ich nichts.

Danke

Das Cluanie Inn am... Loch Cluanie

Das Cluanie Inn am… Loch Cluanie

Das Eilean Donan Castle liegt direkt an der Straße, davor sind große Parkplätze, und auf einem davon kann ich das Moped auf Stellflächen eigens für Mopedfahrer kostenlos parken.

Und hier löst sich wieder eine Wunschvorstellung in Luft auf. Am liebsten hätte ich es, wenn ich möglichst alleine hier wäre und die Wirklichkeit die tollen Fotos noch überträfe – jaja, klar, das war nicht wirklich meine Erwartung. Ich bin also einer von gefühlt 1.000 Besuchern, und in Wirklichkeit ist das Castle keineswegs so romantisch, wie es auf den Bildern im Internet aussieht. Drinnen fotografieren darf man auch nicht. Mist.


Am Parkplatz treffe ich eine deutsche Bikergruppe und werde angesprochen – einen der Biker hatte ich auf der Fähre auf die korrekte Befestigung (Seiten-, nicht Hauptständer) hingewiesen, und er bedankt sich nochmal für den Tipp, wir unterhalten uns kurz, dann mache ich noch ein Foto vom Dudelsackspieler vor der Burg, überlege mir kurz, wie er wohl reagieren würde, wenn ich mich mit der Leier zu ihm setzen würde, werfe ihm stattdessen 50 Pence in den Beutel und reise weiter.

Was ich noch dringend brauche, ist eines dieser Imkernetze, das mich vor den verfl*chten kleinen Biestern schützen soll. In einem kleinen SPAR in Balmacara, kurz vor der Skye-Bridge, bekomme ich nicht nur das, sondern auch noch ein wenig Proviant.

Das Wetter – das WETTER!

Nun geht es über die Skye-Bridge. Das Wetter ist unglaublich – klar, der Wind ist frisch, aber Sonne, Sonne, Sonne… Auch hier sind viele Touristen unterwegs, es kommen mir einige Caravans entgegen.
Irgendwo im Internet habe ich einen Geheimtipp gelesen – nimm die B8082 in Broadford und fahr nach Elgol. Die Zeit reicht locker aus, das Benzin auch, also mach ich das natürlich.

Die Strecke ist wirklich schön, nicht spektakulär, aber eingerahmt von den Bergen fahre ich auf der Single Track Road um Loch Slapin.

Hatte ich schon geschrieben, was man von Geheimtipps mittlerweile halten sollte? Es herrscht viel Verkehr, was ja in Schottland mit Schotten kein Problem wäre. In Schottland mit allen anderen Nationen manchmal aber schon – ich fahre minutenlang hinter einem PKW her, der einen Teufel tut, und mich auch bei passender Gelegenheit nicht überholen lässt. Als er einen Fahrradfahrer nicht überholen will, nutze ich die Lücke und lasse ihn schnell hinter mir.

Bald Geschichte? Parken unter Europas Sternen in Elgol

Bald Geschichte? Parken unter Europas Sternen in Elgol

Und wieder eine traumhafte Kulisse

Und wieder eine traumhafte Kulisse

Mary liebt Reetdachhäuser!

Mary liebt Reetdachhäuser!

Als ich ankomme, gibt es in Elgol fast keinen Platz mehr, wo ich mein Moped abstellen kann. Unter einer Europaflagge kann ich kurz stehen bleiben (nicht über Nacht 🙂 ) und fotografieren. Mehr ist nicht drin – ich kann die vielen Leute, die hier, wie ich, einen ruhigen Platz suchen, nicht ausblenden.

Ich fahr nach Broadford zurück, etwas enttäuscht, und fahre die letzten Kilometer Richtung Portree. Hinter Sligachan steht auf einmal die Heide in Flammen. Die Feuerwehr hat die Straße gesperrt, und es ist zu eng, und die Schlange zu lange, um sich vorzuschlängeln. Nur ein paar Sprünge sind drin, und ein schottischer Mopedfahrer folgt mir. Das Feuer selbst sehe ich nicht mehr, die schwarz verbrannten Büschel am Straßenrand rauchen allerdings noch, und es riecht entsprechend. Der Rauch zieht über die A87.

Der Verkehr in Portree ist ziemlich heftig, ich bekomme nicht allzu viel von der Stadt selbst mit. Da ich hier übernachten werde, ist das aber kein Problem – ein Spaziergang nach der langen Fahrt ist mehr als willkommen. Von der Stadtmitte geht es bergauf, und ich als ich das Ortsschild passiere, habe ich die Einfahrt zum Campingplatz offensichtlich übersehen. Also 50 m zurück. Und da liegt der Platz, und ist schön, aber sehr exponiert auf dem Hügel über der Stadt gelegen.
Heißt: keine Midges heute, so wie hier der Wind bläst. Heißt aber auch: Das Zelt wird ziemlich gebeutelt, und das Brutzeln meines Abendessens über dem Gaskocher ist etwas mühsam.

Ich packe meine Leier ein und mache mich auf den Weg. Irgendwo will ich heute noch spielen. Stadteinwärts, am Straßenrand, steht im knöchelhohen Gras eine Bank. Kaum habe ich die Leier in der Hand, sind sie da. Millionen. Myriaden. Und ich weiß nicht, wo ich mich zuerst kratzen soll. Leier notdürftig einpacken und Flucht ergreifen – es hilft ja nichts.

Ohne Touristen wäre es sehr ruhig in Portree

Ohne Touristen wäre es sehr ruhig in Portree

Skye boats

Skye boats

Ohne Leier mache ich mich noch einmal auf den Weg. In Portree ist immer noch einiges los. Es ist Dienstag, und die Jugend der Stadt ist unterwegs, herausgeputzt und knapp bekleidet. Ich wirke in Funktionskleidung und mit Helmfrisur offenbar wenig einladend; die Blicke, die ich im Vorbeigehen ernte, sprechen Bände.

Ein junger Dudelsackspieler, vielleicht 14 Jahre alt, steht am Straßenrand und kämpft gegen sein Instrument. Einige Touristen sind stehengeblieben und hören ihm zu, doch irgendwie passt er nicht in diese Kulisse.

Ich gehe jetzt genau vor diesen bunten Häusern spazieren, die zum Symbolbild für die Stadt geworden sind und genieße die Abendsonnenstrahlen, bevor ich dann langsam müde wieder hinauf zum Zelt steige.

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