Erinnert ihr euch noch an die Musik von gestern Abend? Ich mich jetzt auch wieder: das Strathyre Music Festival war eines der Festivals, die ich mir vor meiner Reise gemerkt hatte… nun bin ich mehr aus Zufall hier gelandet, und vor lauter Fahrerei habe ich gestern Abend keinen Gedanken darann verschwendet. What a mess!
Morgenritual wie gehabt – warmduschen, zusammenpacken. Ich schau mir auf der Karte die Rannoch Moor Station an. Soll ganz wunderbar sein. Gerd war schon da, und der bayerische Rundfunk hat vor einiger Zeit ein Porträt der beiden Inhaber gedreht, das ich mir gestern Abend im Zelt noch reingezogen habe. Von Strathyre aus ist das allerdings ziemlich ungünstig gelegen, jedenfalls, wenn man nach Glencoe möchte – erst nach Osten, dann nach Westen, und wenn es eine Straße zwischen dem Bahnhof und Glencoe gäbe, wäre ich schnell dort (Ich Weichei – fahr eine GS und damit nicht quer durchs Moor). So muss ich den ganzen Weg wieder zurück. Aber die Rannoch Moor Station muss ich unbedingt sehen.
Ich bin kaum aus Strathyre raus, da stolpere ich über einen kleinen unscheinbaren Wegweiser – rechts weg, dort liegt Rob Roys Grab. Nicht dass ich geschichtlich irgendwie bewandert wäre, hier kommt aber meine Hollywood-Bildung ins Spiel – Liam Neeson ist Rob Roy. Eine schmale Straße führt zu einer kleinen Kirche in Balquhidder. Nach meinem Rundgang über den kleinen Friedhof schaue ich mir eine dort angebrachte Beschreibung noch mal genauer an: die Wahrscheinlichkeit, dass dies hier wirklich das Grab des schottischen Robin Hood ist, tendiert gegen Null.
Weiter geht’s, durch Killin (nette Brücke mit netten kleinen Wasserfäll…stufen, die „Falls of Dochart“), und über einen wunderbaren, ruhig schwungvoll zu fahrenden Pass weiter Richtung Rannoch Moor. Die Passstraße erinnert stark an Irland, so wild wie dort ist es hier aber eher nicht. Am Ende des Passes führt eine lange Straße am See entlang, und dann stehe ich endlich auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof… und finde den blöden Tea Room nicht. Ich stelle das Moped ab und gehe auf die Suche – und da, über der Brücke, zwischen den Gleisen, vor den sieben Bergen das langgezogene Bahnhofsgebäude mit dem kleinen Schild „Tea Room“.
Alles ist sehr sauber und wirkt frisch renoviert. Was ich nicht finde, sind die beiden Besitzer, die der BR vorgestellt hat. Hätte ich leicht an den Zähnen erkannt. Die Bedienung ist freundlich, aber eher unbeteiligt und auch nicht zum Reden aufgelegt, und ich bin etwas enttäuscht. Ein bisschen was Urigeres hätte ich mir schon gewünscht. So trinke ich in Ruhe meinen Kaffee, mach ein paar Fotos, und hake das ab – die Rückfahrt über den Pass wird mich entschädigen.
Zurück geht es am anderen Ufer des Sees. Vor mir fahren drei fette schwarze SUVs, die mich nicht vorbei lassen. Das können keine Schotten sein. Die würden nämlich auf jeden Fall bei irgendeiner Gelegenheit Platz machen. So nutze ich meine starke Beschleunigung aus, um an unmöglichen Stellen einen nach dem anderen zu überholen.
Immer, wenn so was passiert, denke ich: “ Das müssen Deutsche sein“. Aber dann fahre ich ein paar Kilometer weiter hinter einem deutschen Wohnmobil her, und der Fahrer gibt tatsächlich Zeichen, als die Strecke zum Überholen frei ist. Immer diese Vorurteile gegen das eigene Volk.
Ausländer erkennt man hier in den wenigsten Fällen an den Autokennzeichen. Die meisten sind mit Mietwagen unterwegs, mit schottischen Kennzeichen. Und aus den Mietautos steigen dann schon mal Japaner, Chinesen, Inder, Franzosen, etc. Erkennen kann man diese Touristen oft am Fahrstil. Irgendeiner sagte mal, dass Deutsche immer in der Mitte der Straße fahren. Das habe ich zwar oft gesehen, konnte aber nie bestätigen, dass dies wirklich Deutsche waren. Japaner fahren sehr vorsichtig, Inder ausgesprochen rücksichtslos (beides mehrmals beobachtet).
Die A82 und A85 führen durch eine malerische Landschaft, die ich noch besser genießen könnte, wenn ich mir die Strecke nicht mit hunderten anderen teilen müsste. Ausflügler, wohin die Kuh mich trägt. Etwas genervt halte ich auf einem viel besuchten Aussichtsparkplatz und breite vor den Augen aller Nationen meine Wäsche zum Trocknen aus. Hatte ja gestern gewaschen – war noch nicht trocken. Eine indische Familie lässt ihre beiden Kinder Fangen über Shirts und Unterhosen spielen. Ich blaffe die Kinder an und werfe den Eltern meinen berüchtigten Todesblick zu. Wirkt in Schottland nicht.
Die Abzweigung zum Glen Etive verfehle ich, weil mein Navi unbedingt erst nach Glencoe will. Diese Stichstraße hatte ich mir notiert, und auf der Karte hat die richtig nett ausgeschaut – na gut, dann vielleicht auf der Rückfahrt.
Den ersten Campingplatz, den Red Squirrel, verlasse ich gleich wieder, denn a.) sind da zwei große Schilder „No motorcycles in this area“ und b.) ist keiner da, der diesen offensichtlichen Irrtum aufklären könnte.
Der nächste Campingplatz ist der in Invercoe. Als ich das große Schild am Eingang lese, glaube ich es erstmal nicht, stelle das Moped ab, gehe zur Rezeption und frage zweimal nach dem Preis: 10 Pfund. Klar, mehr wäre zu teuer für Motorrad und kleines Zelt, meint der Eigentümer und empfiehlt mir einen Platz mit Aussicht auf den Loch Leven. Platz Nummer 1 in Toplage, für 10 – meine Campingwelt kommt wieder in Ordnung.
Der Wind bläst so mittelstark (fachlich völlig korrekter Ausdruck für: heute gibt’s keine Midges, hähähä). Ich schnappe mir die Leier und marschiere ein paar Meter vom Platz weg ans Ufer des Loch. Dort übe ich mein Repertoire und genieße den Moment.
Zurück am Platz brate ich mir Bacon, den ich im Co-Op in Killin gekauft habe. Es ist die gleiche Marke, die David gestern Morgen verwendet hatte. Trotz des Windes kriege ich das hin, unterhalte mich während des Essens mit meinem schottischen Nachbarn und erfahre so über die Unlust der Glasgower, zur Arbeit zu gehen und über den Fleiß der vielen Polen, die dort beschäftigt sind. Das kommentiere ich ihm gegenüber nicht. Außerdem ist mit dieser Unterhaltung bewiesen, dass das „Aye“ keine Erfindung Hollywoods ist.
Nachdem ich Jon aus Moldawien einen meiner zwei Adapter geliehen habe, damit er sein Handy wieder aufladen kann, sprechen mich zwei Deutsche an: Christoph und Alexandra aus Herne. Die beiden waren schon auf dem Platz bei Culzean, und ihnen war mein Altöttinger Kennzeichen aufgefallen. Wir unterhalten uns ganz nett, trinken zusammen noch einen Slyrs, und dann falle ich wieder mal erledigt auf meine Matratze.