Ich wache wie gewohnt gegen Viertel nach Fünf auf. Es ist bereits hell draußen – zu dieser Jahreszeit wird es hier sehr spät dunkel und sehr früh wieder hell. Die Nacht war ziemlich kalt, ich drehe mich nochmal um, decke mich mit der Jacke meiner Kombi zu und döse noch eine Runde.
Um halb sieben mache ich mich auf zum Duschen. Ich bin der Erste und bleibe vorerst der Einzige. Warme Dusche nach kalter Nacht – deshalb Campingplatz und nicht wildes Campieren, was auf der Insel grundsätzlich erlaubt wäre. Vielleicht deswegen, weil Großbritannien, und vor allem Schottland, nicht sehr dicht bevölkert sind. In Deutschland wären nach kurzer Zeit die Wälder überfüllt, oder die Kommunen wären pleite, weil sie so viel Geld für Verbotsschilder ausgegeben hätten.
Geschwindigkeitsbeschränkungen in SchottlandJa, es gibt sie, aber nur dort, wo sie zum Schutz anderer wirklich notwendig sind. Wenn ich also einen Single track mit 97 km/h fahren möchte, dann kann ich das tun- weit kommen werde ich damit nicht. Und deswegen verzichten die Briten auf unnötige 50er-, 40er-, 30er-Limits. Auch bei Baustellen gibt es oft nur einen Hinweis, aber keine Beschränkung. Verbote für Wohnmobile, steile Pässe hochzukeuchen und Hindernis zu spielen? Nein, nur ein Hinweis, die Straße wäre „unsuitable for caravans“. An irgendeinem der vielen „passing places“ wird man ihn schon überholen können. Und damit das auch Ausländer kapieren, gibt es Hinweisschilder, man solle doch das Überholen ermöglichen. Und ein ganz schönes Hinweisschild vor bekannten Staustellen: „Please allow motorcycles to pass safely“. |
Ich packe meine Sachen zusammen – das dauert wie üblich nicht lange. Das Zelt kommt als Letztes: ich lasse die Innenseite der Außenhülle noch in der aufgehenden Sonne trocknen und folge der Einladung des schwedischen Paares, dessen Landrover Defender neben mir steht, auf einen richtigen Kaffee (nicht das, was Engländer dafür halten), bevor ich zum Frühstück zu meinen neuen besten englischen Freunden gehe. Harry setzt sich auf meine Kuh und lässt sich fotografieren, dann verabschiede ich mich, drehe eine Runde auf dem Platz und bin unterwegs. Ziel heute: Glencoe (werde ich nicht schaffen).
Die Strecke Richtung Ayr ist wunderschön, sie führt hügelig am Meer entlang, ist einsam, und die Aussicht ist zum Niederknien. Dann geht es jedoch Richtung Glasgow, und nach einer Stunde kann ich das Meer nicht mehr sehen.
Doune Castle steht auf dem Programm – das Monthy Phyton/Outlander/GoT-Castle aka Winterfell No. 2. Die Burg ist recht malerisch in einem Park gelegen, der Parkplatz klein, überlaufen ist sie nicht.
Viel zu sehen gibt es für mich dort nicht. Ich sichere die Drehleier so gut es geht gegen versehentliches Einstecken (Seilsicherung durch die Reißverschlüsse der Tasche, mit Alarm). Der National Trust macht das Beste aus der kleinen Ruine: die Gebäude und Räume sind beschildert, in einem kleinen Shop kann man sich Devotionalien der hier gedrehten Serien/Filme kaufen, und natürlich den typischen Touristen-Schnickschnack.
In der Halle/Speisesaal überkommt mich ein Deja-vu, und ich sehe die Szenen mit Jon Snow und Rob Stark vor mir, die hier gedreht wurden. Ganz nett, aber mit unserem Castle Ward-Erlebnis kann Doune Castle nicht annähernd mithalten – so geht es für mich nach einer knappen Stunde bereits weiter.
Es ist das verlängerte Wochenende der Spring Bank Holidays. Morgen wird ein freier Tag sein, und das fabelhafte Wetter (Vorhersage: Sonne, Sonne, Sonne) treibt die Schotten in die Natur. Das merke ich bei meiner Tour durch den Loch Lomond and the Trossachs National Park. Die 821 wäre genial zum Kurven fahren, wenn sich nicht alle Schotten ausgerechnet jetzt hier treffen würden, um mit allen anderen Touristen zusammen eine lange glückliche Autokette rund um die Seen zu bilden (Ich bin übrigens kein Tourist, ich bin Biker). Und nein, Überholen ist selbst mit dem Moped nicht möglich. Dazu sind die Straßen meist zu eng und unüberschaubar.
Als ich genug davon habe, lasse ich mein Navi den nächsten Campingplatz suchen, und fahre bei Strathyre ab. Ich bin müde, fertig, und wieder einmal viel zu lange gefahren. Auch dieser Platz ist teuer (16,50.-), und ich glaube fast, die wollen es vor dem Brexit nochmal wissen. Gestern hat sich die Ausgabe gelohnt, allein wegen der netten Begegnungen. Heute habe ich wenigstens freies WLAN, ansonsten bruzzel ich mir, nachdem das Zelt steht, noch ein fettes, in Minze eingelegtes Lammfleisch, stecke es in das, was hier als Roll bezeichnet wird und liege bald auf der Matratze im Zelt. Von irgendwo kommt Musik, die mich nicht am Schlafen hindert.