Wir bleiben einen Tag in Kinvara. Seit elf Tagen sitzen wir im Sattel und haben gut 2.700 km hinter uns. Die Pause wird nicht nur unseren Hintern gut tun. Kinvara ist ein kleines Örtchen. Eine Hauptstraße mit bunten Häusern, ein kleiner Hafen und ein kleines Wohngebiet, alles klein.
Nur im Bett liegen geht gar nicht. Mary sieht das naturgemäß anders. Vormittags bleiben wir also noch im B&B, das hier mehr einem Hotel gleicht, und dann machen wir uns auf den Weg zum Dunguaire Castle. Die Bezeichnung Castle führt aber in die Irre – es handelt sich nicht im militärischen Sinn um eine Burg, sondern um einen typischen Wohnturm des 16. Jahrhunderts. Eine Modeerscheinung, importiert vom Kontinent und auch dort noch zu finden (sogar in Deutschland).
Der Eintritt kostet uns 6 € pro Nase. Ja, es ist Urlaub, und man sollte einmal in seinem Leben so einen Turm von innen gesehen haben. Doch im Vergleich der anderen Sehenswürdigkeiten schneidet das Haus nicht gut ab. Drei Stockwerke, ein Festsaal, und ein wenig authentische Geschichte.
Wir spazieren gemächlich in den Ort zurück, an Reetdachhäusern vorbei. Am Hafen (klein, siehe oben) finden wir ein gemütliches kleines violettes Café und Apple Pie. 8,85.- zusammen – na also, es geht doch. Ein einstündiger Rundgang reicht, um den Rest des Ortes inklusive Hafen zu besichtigen, und dann mache ich mich wieder an die Reiseplanung für morgen.
Fürs Abendessen spazieren wir in eine Pizzeria direkt gegenüber unseres B&Bs (The Tide Full Inn), und dort probieren wir das erste Mal den irischen Cider. Nicht mein Favorit. Außerdem ist es hier für unseren Geschmack zu still. Wo sind die echten Iren, die trinken, lachen und singen?
Wir machen uns auf die Suche, und nur ein paar Meter weiter weht uns aus einem Pub, dem Connollys, Musik entgegen. Wir gehen rein, und dort sind sie, sogar eine ganze Menge davon. Das Pub ist voll, aber da die meisten sich im Stehen unterhalten, finden wir tatsächlich einen Platz, wo wir uns hinsetzen können. Auch hier gibt es kein Murphy’s, also starten wir diesmal mit einem Smithwicks.
Auf einer Eckbank, uns links schräg gegenüber, sitzen ein paar Musiker und spielen ein Instrumentalstück. Danach folgt ein Lied auf Irisch (?), Und nach den ersten Tönen, die die Sängerin vorgibt, die passenderweise auch Mary heißt, stimmt das ganze Pub ein. Eine der Melodien meine ich zu kennen, aber den Text verstehe ich nicht, und so trinken wir langsam unser Bier und genießen.
Ein Mann, geschätzte 55 Jahre alt, fragt uns höflich, ob er sich zu uns setzen darf. Er riecht etwas streng. Bevor wir irgendetwas antworten können, kommt der Besitzer des Pubs dazu, zieht ihn von uns weg und erklärt uns sehr freundlich, dass das keine gute Idee wäre.
Eine Familie betritt das Pub. Vater, Mutter, und der Sohn mit Down-Syndrom. Und dann passiert etwas, was ich noch nie vorher erlebt habe. Die Musiker spielen ein Stück mit Strophe und Refrain. Der Junge singt die Strophen, die Gäste im Pub hören ihm mucksmäuschenstill zu, und beim Refrain stimmt das ganze Pub mit ein.
Wir unterhalten uns eine Weile mit dem Besitzer und trinken noch ein Guinness.
Tagesetappe
Ein paar Kilometer zu Fuß