Draußen vor Susan’s B&B (man beachte den englischen Genitiv) flattert unsere Wäsche auf der Leine. Ich habe gestern mal gewaschen – das war langsam nötig – und nun ist sie erst recht nass, denn es nieselt.
Mit uns beim Frühstück sitzt ein junges deutsches Pärchen, das mit dem Auto unterwegs ist und sich heute, wie sie uns gerne erzählen, den Glenveagh National Park ansehen werden. Irgendwie springt der Funke nicht über, und so wenden wir uns einem weiteren Gast zu, einem geschäftsreisenden Iren aus Dublin.
Mithilfe von Susans Putzlappen wische ich die Sitzbank der Q trocken, dann geht’s los – unser Ziel heute sind die Klippen bei Teelin, die Slieve League. Doch dahin sind es an die 200 km, und bei dem Wetter wird das spannend.
Wir müssen nur ein paar Kilometer fahren, und plötzlich befinden wir uns in einer unglaublich wilden und schönen Berglandschaft, der auch der Regen, der etwas heftiger geworden ist, nichts vom Zauber nehmen kann. Auf der R251 durchqueren wir den Glenveagh National Park. Die Straße ist gut, es geht höher und höher hinauf, die Temperatur fällt entsprechend auf 13°C. Die Regenkombis halten uns warm.
An einen Stopp zum Fotografieren ist nicht zu denken. Mit der Helmkamera versuche ich, ein paar Eindrücke festzuhalten.
Am Dunlewy Lough machen wir dann eine kurze Pause; die Hände sind trotz der Handschuhe kalt, auch wenn wir erst knapp 30 km unterwegs sind.
Wir nähern uns wieder der Küste. Der Regen lässt nach und hört bald ganz auf. Die nächsten 50 km genießen wir das Fahren.
Meine Tourenplanung würde uns weiter am Meer entlang führen, der irische Straßenbau macht uns jedoch einen Strich durch die Rechnung: wir kommen einfach nicht durch nach Ardara. Die Straße ist auf einmal gesperrt, und ein seinen Rasen mähender Anlieger gibt uns klar zu verstehen: no way, go back, try again.
Wir studieren gemeinsam die Karte: ein Segen jetzt, dass ich mich nicht nur aufs Navi verlasse. Wir finden eine Alternativroute, die aber ebenfalls vor einem Straßenbauschild endet – es ist dieselbe Sperrung, kilometerweit von der ersten entfernt. Mein Gott, wie lang ist diese Baustelle??
Etwas genervt fahren wir den ganzen Weg zurück und kommen irgendwann doch nach Ardara. Als wir die Stadt verlassen, überkommt uns der Hunger… es ist bereits Mittag vorbei, und so halten wir in einem kleinen Nest direkt an der Straße, um etwas zu essen. Ein Fehler, wie sich sehr schnell herausstellt, denn jetzt verlassen wir die N56 und fahren über den Glengesh Pass in Richtung Glencolumbkille. Und nach ein paar Kilometern finden wir einen Rastplatz mit einem fantastischen Ausblick zurück ins Tal.
Der Weg wird wieder wilder und enger. Und dann, es ist fast 3 Uhr nachmittags, fahren wir endlich den Weg hinauf zu den Klippen.
Ein Parkplatz mit Kiosk, ein (offenes) Gatter, eine Straße, die sich den Berg hinaufwindet… nach kurzem Zögern wagen wir es – wir fahren weiter.
Und es funktioniert: nach zwei weiteren Kurven sehen wir die Klippen und finden direkt dort einen Parkplatz.
Der Ausblick auf die Klippen ist romantisch, und man könnte hier gut wandern. Allerdings kommt mir nun wieder ein Gedanke in den Sinn, den ich schon auf unserer letzten Irland-Tour hatte: als wie außergewöhnlich man etwas erlebt, hängt stark davon ab, wo man herkommt und was man gewohnt ist zu sehen. So stehe ich am Rand der Klippen, wage mich relativ weit auf das moosige Gras hinter der Absperrung hinaus, und trotzdem stellt sich kein Wow-Gefühl ein. Ein schöner Platz, ein netter Anblick. Doch wir beide kommen aus einer unglaublich schönen und spektakulären Gegend mit Watzmann und Königssee. Und wer vom Funtenseetauern den Ausblick und am Stuhljochgrat den Nervenkitzel erlebt hat, nimmt von diesen Klippen nur das meditative Rollen des Meeres mit. Das ist nicht schade und nicht enttäuschend, das ist so. Wir bleiben eine gute halbe Stunde.
Und jetzt passiert es mir doch. Ich bin müde geworden, und habe eine Abzweigung verfehlt. Und nach dem Wenden fahre ich plötzlich auf der rechten Straßenseite direkt auf einen Bus zu! Der Busfahrer reagiert gelassen, ich ärgere mich über mich selbst, und wir suchen uns schnellstmöglich ein Kaffee und Kohlenhydrate. In Kilcar finden wir die auch, im Mocklers, in Form eines sagenhaften Rhabarberkuchens.
Wir bleiben hier eine gute Stunde, trinken Kaffee, lassen uns bewundern (Regenkombi, Helme), und haben dann noch knapp 100 km nach Ballyshannon vor uns, wo ein neu eröffnetes B&B auf uns wartet, das im Buchungsportal noch keine Bewertung hatte. Es war ein langer Tag, wir merken die Kälte und die Kilometer im Sattel.
Als wir in Ballyshannon eintreffen, fahren wir erstmal hinters Haus und parken dort im Innenhof vor einem Beautysalon.
Der Salon gehört Mai Kelly, unserer Gastgeberin heute Nacht. Und Mai ist ein Goldstück, ein Engel! Sie sieht uns durchfrorene Biker und macht uns erstmal einen Whiskey warm. Und dann einen zweiten. Und sie steckt eine Heizdecke in unser Bett!! Das Haus duftet nach nach ätherischen Ölen. Es ist einfach perfekt. Und das alles zusammen ist mindestens eine Verlinkung wert: Danke, Mai! Vielleicht sehen wir uns ja doch noch einmal bei Deiner bayerischen Freundin in Rosenheim.
Tagesetappe
276 km von Letterkenny nach Ballyshannon