Der Morgen ist ruhig und wunderschön; es sind 9°C, als ich von zuhause losfahre. Ein paar Busse sind unterwegs, aber die versperren mir nicht lange den Weg über die ansonsten noch verlassenen Straßen Richtung Berge. Ich nutze das aus, hart am Tempolimi: Waging -Teisendorf – Bischofswiesen. Kurz vor halb neun bin ich an der Kugelmühle und ziehe mich um. Helm, Kombi passen in die Koffer, und mit den passenden Schuhe bin ich schon gefahren. Noch die Q absperren und los.
Nur wenige Autos stehen auf dem Parkplatz. Die Ausflügler zieht es sofort Richtung Klamm, was ich seltsam finde: morgens ist es dort noch kühl, man geht teils steil bergauf und kann die ungewöhnliche Romantik des rauschenden Wassers kaum genießen. Ich halte mich links und steige auf dem Bachwaldweg auch teils steil durch den Wald nach oben. Nach einer guten halben Stunde treffe ich bereits auf den breiten Wirtschaftsweg, aber ich biege nicht nach rechts Richtung Klamm ab, sondern stiefel weiter Richtung Kneifelspitze.
Nach drei Serpentinen geht’s in den Wald, und obwohl ich den Weg bereits mehrmals gegangen bin, auch schon durch die letzten Schneefelder des Frühjahrs, lasse ich mich durch einen kaum erkennbaren Pfad abbringen, dem Bachbett weiter zu folgen, und das fällt mir nach kurzer Zeit auf. Da der Weg mittlerweile aber gut sichtbar weiter führt, folge ich ihm weiter: abfallend und schmal, im Morgenlicht wunderbar stimmungsvoll und ruhig.
Nach 15 Minuten treffe ich auf eine kleine Kreuzung – links und geradeaus führt ein Weg wieder talwärts, und irgendwie kommt mir das alles auf einmal bekannt vor. Ich halte mich rechts, und nach ein paar Metern Anstieg und insgesamt 75 Minuten Gehzeit von der Kugelmühle stehe ich am Gipfel der Kneifelspitze, und bin damit dort rausgekommen, wo ich sonst nur abgestiegen bin.
Kleine Pause, Brotzeit und aufschreiben. Dann geht’s weiter. Ich versuche, den Abzweig zu finden – ich finde ihn viel weiter unten als gedacht. Und als ich durch das Bachbett abwärts steige, erkenne ich sofort meinen Irrtum beim Aufstieg.
Der Einstieg zur Klamm ist gesperrt, wie bereits im letzten Jahr. Ein Teil des Weges wird hergerichtet, und ich muss den Weg über die Theresienklause nehmen. Ab hier ist der Verkehr sagenhaft, die meisten Ausflügler steigen bergan, und wieder kommt mir das merkwürdig vor. Ich genieße jedenfalls den Abstieg, den ich bewusst langsam gestalte.
Kaum jemand grüßt. Eine Zeit lang versuche ich das, irgendwann gebe ich auf. Auch als ich einem jüngeren Paar an einer engen Brücke den Vortritt lasse, schauen mich die zwei nicht einmal an. Immer näher kommt nun der Weg ans Wasser heran.
Drei Kilometer geht es am Almbach entlang, über 29 Brücken und mehr als 320 Stufen. Die Wege erfordern Trittsicherheit, sind aber keine besondere Herausforderung – im Gegenteil. Mitr kommt es vor, als würde die Klamm langsam aber sicher zubetoniert: dort, wo ich vor ein paar Jahren noch über Holzsteige am Fels entlang ging, gibt es nun breite Betonplatten. Richtig erklären kann ich das nicht. Auch wenn das Wasser und die Erosion im Frühjahr schon mal Brücken und Steige zerlegen, empfinde ich dies als Sakrileg und als Missachtung der Natur.
Am Sulzer-Wasserfall, an dem das Wasser 114 Meter tief über mehrere Treppen stürzt, klettere ich ein paar Meter und mache Brotzeit an einer „Gumpen“. Alleine bin ich natürlich nicht, zwei ältere Herrschaften mit ihrer Enkelin haben mich wohl hochsteigen seh’n und folgen mir. Platz ist genug, geredet wird kaum.
Nach einer halben Stunde breche ich zum letzten Teil auf, dem schönsten, dem romantischsten, dorthin, wo die Schlucht immer enger wird, bis man beide Seiten mit den Händen berühren kann, einem das Wasser auf den Kopf tropft und in den Kaskaden unter der Brücke tost, auf der man sich nicht lange aufhalten kann, da sie zu eng ist und man anderen Wanderern den Weg versperrt.
In der großen Höhle kurz vor dem Ende der Klamm versuche ich noch eine Wasserfallmeditation.
Raus, Austritt zahlen (3 €) und Einkehr in der Kugelmühle (grauenhafter Ausflugslokalwindbeutel).
Immer noch ist diese Tour, ob als Einstieg im Frühjahr (Tipp: zur Schneeschmelze ist die Klamm der Wahnsinn!) oder als Ausklang im Herbst eine der schönsten, die ich kenne.